Wulff: „Region ist weltoffen und tolerant“
Hoher Besuch in Lohne: Der Bundespräsident a.D. Christian Wulff hat sich am Dienstag im neuen Anbau des Industriemuseums mit Mitgliedern des Runden Tisches für Integration und Völkerverständigung getroffen. Die Stippvisite des Stiftungsratsvorsitzenden der Deutschlandstiftung Integration kam auf Initiative der heimischen CDU Bundestagsabgeordneten Silvia Breher aus Lindern und Vermittlung durch die Steinfelderin Katharina Willenbrink, Kreisvorsitzende der Frauen-Union Vechta, zustande.
Ulla gr. Holthaus stellte den Internationalen Frauentreff vor. „Wir sind eine Interessengemeinschaft mit mehr als 50 Teilnehmerinnen“, sagte die Vorsitzende des Runden Tisches. Jeden ersten und dritten Dienstag im Monat treffen sich die Frauen im Industriemuseum und unterhalten sich über unterschiedliche Themen. Der „völlig gemischte Club“ mit Frauen aus verschiedenen Nationen startete 2017. Mit der Zeit verstetigten sich die Kontakte. Einzig die Pandemie verhinderte zuletzt persönliche Begegnungen.
„Doch manchmal verleiht Corona auch Flügel“, sagte gr. Holthaus, die jüngst für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz erhalten hatte, und verwies auf den täglichen Austausch per WhatsApp. „Wir haben jetzt auch einen Frauentreff-Flohmarkt über den Messenger eingerichtet.“´Die Vorsitzende konstatierte: „Der Internationale Frauentreff ist eine Erfolgsgeschichte.“ Über die Frauen erhalte der Runde Tisch direkten Kontakt in die Familien und könne so seine Ziele weiter verfolgen: Integration und Völkerverständigung.
Bürgermeister Tobias Gerdesmeyer nannte den Besuch Wulffs eine „besondere Ehre für Lohne“. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sei Heinrich Lübke der bisher einzige Bundespräsident gewesen, der am 12. Juni 1967 der heutigen 29000-Einwohner-Stadt seine Aufwartung gemacht habe. Gerdesmeyer wies auf die Verbindungen Wulffs zu Lohne hin. So habe der gebürtige Westerkappelner einst unter Werner Münch gearbeitet, dem früheren Lohner CDU-Stadtverbandsvorsitzenden und ehemaligen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt.
Der Bürgermeister hob die hohe Bedeutung von Integration für Lohne hervor. Lag der Ausländeranteil im Jahr 2008 noch bei etwa acht Prozent, so haben heute fast 20 Prozent der Bevölkerung keinen deutschen Pass. „Mehr als 1000 Syrer und etwa 1200 Türken leben in Lohne. Hinzu kommen viele Rumänen und Bulgaren.“ Die Entwicklung der vergangenen Jahre spiegele sich auch im Rathaus wider. „Hatten wir anfangs nur eine Sozialarbeiterin mit einer halben Stelle, so sind es jetzt sechs volle Stellen für Sozial- und Schulsozialarbeit.“
„Integration ist Bürgersache“, sagte der CDU-Landratskandidat und lobte den großen ehrenamtlichen Einsatz des Runden Tisches. „Wir wollen nicht über, sondern mit Menschen mit Migrationshintergrund sprechen.“ Er warnte vor der Bildungvon Parallelgesellschaften und appellierte, die Bürger sollten sich freundschaftlich begegnen, mit gemeinsamen Spielregeln, gegenseitigem Respekt und Wertschätzung.
Wulff lobte das Oldenburger Münsterland. Die Region zeichne sich durch eine Mischung aus Heimatverbundenheit undWeltoffenheit aus. „Die Heimat, die Tradition, die katholische Kirche, das Vereinsleben und das Miteinander sind den Menschen vor Ort wichtig. Gleichzeitig zeigen sie sich aber auch weltoffen und tolerant.“ Das frühere Staatsoberhaupt ging auf die Enzyklika „Fratelli tutti“ von Papst Franziskus über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft ein. Es gebe mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes zwischen den Menschen auf der Welt, sagte Wulff und rief wie der Pontifex zu weltweiter Solidarität auf.
In der Debatte über Migration und Flüchtlinge bewege man sich gesellschaftlich stets auf dünnem Eis, sagte der 62-Jährige. Sowohl Befürworter als auch Gegner neigten zur Übertreibung. Er zitierte den „Stern“- Journalisten und Autor Walter Wüllenweber, der für den 4. September 2040 – den 25. Jahrestag der „offenen Grenze“, dem Symbol der Flüchtlingspolitik – prognostiziert hat: „Wir werden uns auf die Schultern klopfen.“ Anhand verschiedener Beispiele verdeutlichte Wulff seine Position, die er in einem Aufruf formulierte: „Ein Land, das bunt und vielfältig ist – das ist unser Auftrag.“ Menschen mit ausländischen Wurzeln hätten ein ebenso starkes Interesse daran, dass das gesellschaftliche Leben in der Bundesrepublik gelinge wie die Deutschen selbst, versicherte er. Auch Menschen mit Migrationshintergrund ärgerten sich über einzelne Negativbeispiele von Landsleuten.
Bevor Gerdesmeyer, Breher und Wulff im Wechsel an drei Gesprächsrunden teilnahmen, nutzte Khlood Alamog die Gelegenheit für eine persönliche Ansprache. Die Syrerin sagte: „Ich bin glücklich in Deutschland. Mein Mann hat Arbeit, meine Kinder eine gute Zukunft. Ich danke Deutschland.“
In den Gesprächskreisen berichteten die Frauen über ihre Erfahrungen. Es ging um den Glauben allgemein, das Kopftuch, die Rolle der Frau und die oftmalige Verweigerung katholischer Kirchengemeinden, muslimische Erzieherinnen einzustellen.Das Format funktionierte, es entwickelte sich ein intensiver Austausch.
Im Bild:
Konzentriert lauscht Christian Wulff den Schilderungen einer Teilnehmerin über ihre Erfahrungen in Deutschland.
Foto: Timphaus