Wie Einwanderer beruflich Fuß fassen
Im Dezember 2014 erreichte die große Welle der Flüchtlinge auch Lohne. Sechs Menschen, die damals hier landeten, erzählten im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung des Runden Tisches und des Industriemuseums Lohne beispielhaft für viele andere über ihre Werdegänge. Der junge Faek Mustafa, ebenfalls ein Flüchtling, untermalte am Klavier virtuos die Veranstaltung.
Die beiden Frauen und vier Männer verband eine tiefe Dankbarkeit zu denen, die sie helfend begleitet hatten. Sie waren sich einig, hier ihre zweite Heimat gefunden zu haben. Alle sechs Wege waren sehr kräftezehrend – und begannen mit dem intensiven Erlernen der deutschen Sprache, um eine Grundlage für eine sichere berufliche Existenz aufbauen zu können. Dennoch gab es viele Hürden zu überwinden. Zudem verwirrte das „anstrengende bürokratische System in Deutschland“, wie es ein Referent ausdrückte, manches Mal.
Ibtisam Mukdad und Izdehar Mustafa waren in Syrien als Sprachlehrerinnen verschiedener Schulformen tätig. Daran wollten sie anknüpfen. So wussten sie um die Bedeutung von Sprache. Sie absolvierten Praktika, arbeiteten ehrenamtlich, setzten sich für ein Jahr auf die Schulbank der Marienschule in Vechta, was sie neben ihrer Familienarbeit immer wieder ans Ende ihrer Kräfte brachte. „Der Weg war steinig und schwierig!“ sagte Ibtisam. „Integration ist nicht einfach! Man muss sie wollen. Dann sind wir alle zusammen stark!“ ergänzte Izdehar. Beide Frauen haben inzwischen Vollzeitanstellungen im Kindergarten gefunden.
Der gelernte Grundschullehrer Abdulmanem Al Sharaa kam 2017 im Rahmen einer Familienzusammenführung nach Lohne. Nach den Sprachprüfungen erwies sich das fehlende - für Niedersachsen unabdingbare - zweite Lehrfach als hohe Hürde. „Ich habe um eine Stelle gekämpft,“ berichtete er. Der 44-jährige fand sie in Nordrhein-Westfalen, wo er, zunächst als pädagogische Fachkraft tätig, nunmehr glücklich ist, eine eigene Klasse zu haben: „Für mich hat sich ein Traum erfüllt.Da kommst du in ein fremdes Land, eine fremde Sprache, eine fremde Kultur und du musst das alles lernen, sonst hat du keine volle Integrität!“
Asan Baban flüchtete aus dem Irak und begann nach den Sprachkursen eine Lehre bei der Firma Elektro Hövemann. „Es war sehr schwer. Im ersten Jahr war ich richtig schlecht. So wiederholte ich das erste Lehrjahr. Meine Noten besserten sich plötzlich auf eins und zwei, so dass ich meinen Gesellenbrief bestanden habe.“ freute sich der 29-jährige, den seine Firma 2022 fest einstellte.
Muhammad Kubraly war in Damaskus bereits Pharmakologiedozent. Er begann eifrig, eigenständig die deutsche Sprache zu erlernen, um sich die Chance auf Anerkennung seiner dortigen Abschlüsse zu ermöglichen. Sofort engagierte er sich u.a. als Rettungssanitäter beim Malteser Hilfsdienst (MHD), hospitierte in der Franziskus-Apotheke und fand bereits 2019 seinen Weg zur Fachprüfung mit der Approbation als Apotheker. Seit zwei Jahren führt er in Oldenburg eine Apotheke – doch seine Heimat bleibt der Kreis Vechta.
Amin Amirkhani aus dem Iran lernte ebenfalls die Gemeinschaft des MHD kennen, wo er sich als Betreuungsassistent ausbilden ließ. Er stammt aus einer Familie mit medizinischem Background. In Lohne absolvierte er zunächst ein Praktikum, um seinen „Kinderwunschberuf“ Krankenpfleger zu erfüllen und arbeitete im Pflegedienst und als Patientenbegleiter. Dann konnte er eine Ausbildung zum Krankenpfleger beginnen, „die ich mit der Note 2 bestanden habe.“ strahlte er. Ein Herzensanliegen stellte er an den Schluss seiner Ausführungen: „Ich wünsche, dass dieser Scheißkrieg bald vorbei ist. Wir sind alle Menschen und sollten zusammen diese Welt wirklich schön aufbauen…“
Artikel und Foto von Werner Steinke in der Oldenburgischen Volkszeitung vom 24.10. 2023